Abmahnung mit Hilfe der Wikipedia
Letzten Mittwoch flatterte mir ein Brief von einer Martina N. in den Briefkasten. Der Inhalt war eine Abmahnung, Reaktion bis Freitag erforderlich: Zahlung von 1400 Euro und Abgabe einer Unterlassungserklärung. Ansonsten droht sie mir mit Anwaltskosten von 30.000 Euro und 28.000 Euro Schadensersatz. Solche Fristen und Summen kennt man meist eher nur von ominösen Abmahnanwälten, die unbedarften Menschen Angst einjagen wollen. Mit dem Unterschied, dass diese dann aber auch eine Fax-Nummer oder E-Mail-Adresse zur fristgerechten Kontaktaufnahme angeben …
Passenderweise war ich gar nicht zu Hause: ich war schon seit Dienstag in Berlin, habe auf der Web 2.0-Konferenz re:publica einen Vortrag gehalten. Erst am Wochenende kam ich zurück. Zum Glück war meine Frau zu Hause und hat mir die Abmahnung gescannt. Denn anders als angegeben wurde auch nichts per E-Mail „vorab“ verschickt.
Nach dem ersten Durchlesen war klar: es handelt sich um Unfug. Frau N. ist Wikipedia-Nutzerin und sieht sich in ihren Rechten verletzt, weil der Web-Blaster nicht nur das ganze Web blasten kann (wie auch schon die Deutsche Bahn feststellen durfte), sondern auch die Wikipedia. Und in der Wikipedia hat Frau N. ein paar Fotos hochgeladen. Die meisten werden nur auf ihrer Benutzerseite als Vorschaubild dargestellt, sind also nicht in einen Artikel eingebunden.
Und mit dem Web-Blaster kann man sich nun also auch die Wikipedia und die Benutzerseite von N. wie das ganze Web blasten. Und das sieht die Briefschreiberin als Urheberrechtsverletzung an – übersieht dabei aber was der Web-Blaster ist: ein alternativer Browser, mit dem man sich Webseiten eben ein wenig anders darstellen lassen kann.
Aber sie hat wohl insgesamt nicht so genau hingeschaut, behauptet sie doch, dass der Blaster 38 URLs mit Bildern von ihr kopiert hätte. Dabei leitet der Web-Blaster bei Bildern und entsprechenden URLs den Nutzer schon immer auf die Original-Seite um. Selbst bei eigenwilliger Auslegung findet da also keinerlei Urheberrechtsverletzung statt. Hier zum selber Ausprobieren, rechts Ausschnitt aus der Abmahnung (Anklicken für Großansicht).
Anfangs dachte ich ja noch, es handelt sich um ein Mißverständnis. Daher wollte ich der guten Frau nochmals Gelegenheit bieten, es sich anders zu überlegen – auf meine E-Mail mit naturgemäß verkürzter Frist kam aber keine Antwort. Daher habe ich das ganze meinem Anwalt Thomas Stadler übergeben. Er hat ihr geschrieben:
Es fehlt deshalb bereits an einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung, weil unser Mandant mit Hilfe eines Tools lediglich den Zugang zu den Wikipedia-Seiten ermöglicht. Damit vermittelt er im konkreten Fall auch nur den Zugang zu Ihrem Werk, so, wie Sie es selbst bei Wikipedia eingestellt haben. Sie selbst haben die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass die Wikipedia-Seiten, auf denen Fotos von Ihnen eingebunden sind, auf diese Art und Weise von Internetnutzern abgerufen werden können.
Nachdem Sie Ihre Fotos selbst bei Wikipedia einstellen – unter welcher Lizenz auch immer – müssen Sie die unveränderte Darstellung von Wikipedia-Seiten auch dulden. Sie haben dem durch Einstellung Ihrer Fotos schließlich urheberrechtlich zugestimmt.
Sie verhalten sich also widersprüchlich und treuwidrig, wenn Sie einerseits Fotos bei Wikipedia einstellen und einbinden, die unveränderte Darstellung dessen aber dann unterbinden wollen.
Die erste Antwort von Frau N. deutet darauf hin, dass sie die Wikipedia als Einnahmequelle für Lizenzgebühren missbrauchen will. Mehr dazu im passenden Artikel im ODEM-Blog: Abmahnfallen einer Wikipedia-Nutzerin.
Nachtrag: Die Briefe von Frau N. habe ich absichtlich nicht im Volltext veröffentlicht, ihr Urheberrecht daran soll ja schließlich nicht verletzt werden.
Nachtrag 2: Es geht die Behauptung herum, es hätte bereits im Februar per E-Mail eine Bitte zur Entfernung der Fotos von der Wikipedia gegeben. Eine solche Bitte gab es nicht. Von einem AOL-Account (!) bekamen wir im Februar eine Nachricht, die ich nun aus dem Spam herausgefischt habe. Darin schreibt Frau N., dass „wir“ sich für „die Verwendung“ der Wikipedia-Inhhalte unter http://de.web-blaster.org/ bedanken würden. Die Wikipedia sei „u.a. für solche Zwecke“ geschaffen worden. Und sie wies darauf hin, dass Name und Logo „der Wikimedia und ihrer Projekte“ geschützt seien, und eine Genehmigung zur Einbindung erforderlich sei. Beim Web-Blaster findet aber gar keine Einbindung statt, aber selbst wenn: natürlich wäre für die Einbindung der Wikipedia keine Genehmigung nötig.
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Müssen sich die Blaster-User nun Gedanken um ihre Gewinne machen? Was wird nur geschehen? Wird die BILD berichten?
Oh man, wie peinlich ist das denn?! Frau Nolte: etwas mehr Realitätsnähe, bitte!
Haben eigentlich auch andere solche Abmahnungen von Martina Nolte erhalten oder handelt es sich hier um einen Einzelfall?
"Hier ist Wissen frei verfügbar - unabhängig vom Geldbeutel. Ähnlich sieht das auch Martina Nolte: «Bei Wikipedia muss ich mein Wissen nicht teuer kaufen wie etwa beim Brockhaus. Für mich ein guter Grund, auch etwas zurückzugeben», sagt die Sozialpädagogin." http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=952202&kat=10&man=3
Also ganz ehrlich: Als ich eben durch Heise auf diese Geschichte aufmerksam wurde, da dachte ich an einem Aprilscherz.
Bekommt eigentlich auch Google dank der Bildersuche eine Abmahnung von Frau Nolte (da "browst" man ja eigentlich auch nur durch ausgewählte Ergebnisse)? Oder die Hersteller von sämtlichen Webbrowsern der Welt?
wenn frau n. sonst nichts anderes zu tun hat, armes deutschland
Wenn man mit so einer asozialen Einstellung in Deutschland Sozialpädagogin werden kann, dann läuft mit dem Studium irgend etwas falsch, oder?
Ich finde, so jemand hat sich das moralische Recht, Wikipedia zu nutzen, auf Lebenszeit verwehrt. Juristisch und technisch wird man es wohl leider nicht verwehren können, aber vielleicht kann man es wenigstens auf Lebenszeit verbieten, Wikipedia für seinen Geltungsdrang und seine Unfähigkeit, sich sein einkommen sinnvoll aufzuteilen, zu missbrauchen?
Täusche ich mich dar, oder wurden die Bilder wegen "Keine hinreichend freie Lizenz" gelöscht und wenn ja, mahnt sie dann Wikipedia ab.
http://de.wikipedia.org/wiki/Benutzer_Diskussion:Syrcro#Bitte_nicht_in_blinden_Aktionismus_verfallen
Offenbar wollte Frau Nolte die wikipedia als Werbeplattform missbrauchen, ohne der Community wirklich etwas zu geben. Was soll man von einer Sozialpädagogin, die einen auf Fotojournalistin macht, auch erwarten? Vielleicht wollte sie mit den Abmahnungen den nächsten Urlaub äh... die nächste Fototour finanzieren. Erbärmlich.
mfg
Ich find derartige Abmahnungen einfach nur lächerlich :( das dumme ich habe gezahlt und so einen 4 Stelligen betrag verlorgen (wegen einer Vergleichbaren nichtigkeit) -> seitdem bin ich Proxyfanatisch :)
Auch Ich find derartige Abmahnungen einfach nur lächerlich :( das dumme ich habe gezahlt und so einen 4 Stelligen betrag verlorgen (wegen einer Vergleichbaren nichtigkeit) -> seitdem bin ich Proxyfanatisch :)
Wenn ich solche Texte lese, fühle ich mich immer sehr wie Stephen Fry in diesem Sketch: http://www.youtube.com/watch?v=PsbPjE5oI_U
Das Internet ist juristisch gesehen für viele ein Buch mit sieben Siegeln und vor allem in Sachen Urheberrecht gibt es viele Unklarheiten. Traurig, dass einige diesen Umstand nutzen un sich zu bereichern. Noch trauriger ist aber, dass viele Anwälte sich wie Aasgeier auf kleine private User stürzen und ihnen wegen Nichtigkeiten mit Klagen drohen. Gibt es bei denen nicht auch sowas wie einen Berufsethos?!?!
und, haste schlussendlich nochmals was von ihr gehört?
Solche primitiven Handlungen kann ich wirklich nicht verstehen. Was sind das für Anwälte, die sich auf unwissende Nutzer stürzen und diesen das Geld aus der Tasche ziehen? Man kann nur allen Nutzern raten: Erst einmal abwarten und fachkundigen Rat einholen, bevor man auf solch einen dubiosen Anwalt reinfällt!
Ich hab die Infos darüber mal in meinem Blog weiter verbreitet. Wünsche euch ein schönes, abmahnfreies Wochenende.