Aktuelles: April 2009 Archive

Letzten Mittwoch flatterte mir ein Brief von einer Martina N. in den Briefkasten. Der Inhalt war eine Abmahnung, Reaktion bis Freitag erforderlich: Zahlung von 1400 Euro und Abgabe einer Unterlassungserklärung. Ansonsten droht sie mir mit Anwaltskosten von 30.000 Euro und 28.000 Euro Schadensersatz. Solche Fristen und Summen kennt man meist eher nur von ominösen Abmahnanwälten, die unbedarften Menschen Angst einjagen wollen. Mit dem Unterschied, dass diese dann aber auch eine Fax-Nummer oder E-Mail-Adresse zur fristgerechten Kontaktaufnahme angeben …

Passenderweise war ich gar nicht zu Hause: ich war schon seit Dienstag in Berlin, habe auf der Web 2.0-Konferenz re:publica einen Vortrag gehalten. Erst am Wochenende kam ich zurück. Zum Glück war meine Frau zu Hause und hat mir die Abmahnung gescannt. Denn anders als angegeben wurde auch nichts per E-Mail „vorab“ verschickt.

Nach dem ersten Durchlesen war klar: es handelt sich um Unfug. Frau N. ist Wikipedia-Nutzerin und sieht sich in ihren Rechten verletzt, weil der Web-Blaster nicht nur das ganze Web blasten kann (wie auch schon die Deutsche Bahn feststellen durfte), sondern auch die Wikipedia. Und in der Wikipedia hat Frau N. ein paar Fotos hochgeladen. Die meisten werden nur auf ihrer Benutzerseite als Vorschaubild dargestellt, sind also nicht in einen Artikel eingebunden.

Und mit dem Web-Blaster kann man sich nun also auch die Wikipedia und die Benutzerseite von N. wie das ganze Web blasten. Und das sieht die Briefschreiberin  als Urheberrechtsverletzung an – übersieht dabei aber was der Web-Blaster ist: ein alternativer Browser, mit dem man sich Webseiten eben ein wenig anders darstellen lassen kann.

 

bilder-liste.png

Aber sie hat wohl insgesamt nicht so genau hingeschaut, behauptet sie doch, dass der Blaster 38 URLs mit Bildern von ihr kopiert hätte. Dabei leitet der Web-Blaster bei Bildern und entsprechenden URLs den Nutzer schon immer auf die Original-Seite um. Selbst bei eigenwilliger Auslegung findet da also keinerlei Urheberrechtsverletzung statt. Hier zum selber Ausprobieren, rechts Ausschnitt aus der Abmahnung (Anklicken für Großansicht).

 

Anfangs dachte ich ja noch, es handelt sich um ein Mißverständnis. Daher wollte ich der guten Frau nochmals Gelegenheit bieten, es sich anders zu überlegen – auf meine E-Mail mit naturgemäß verkürzter Frist kam aber keine Antwort. Daher habe ich das ganze meinem Anwalt Thomas Stadler übergeben. Er hat ihr geschrieben:

Es fehlt deshalb bereits an einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung, weil unser Mandant mit Hilfe eines Tools lediglich den Zugang zu den Wikipedia-Seiten ermöglicht. Damit vermittelt er im konkreten Fall auch nur den Zugang zu Ihrem Werk, so, wie Sie es selbst bei Wikipedia eingestellt haben. Sie selbst haben die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass die Wikipedia-Seiten, auf denen Fotos von Ihnen eingebunden sind, auf diese Art und Weise von Internetnutzern abgerufen werden können.

Nachdem Sie Ihre Fotos selbst bei Wikipedia einstellen – unter welcher Lizenz auch immer – müssen Sie die unveränderte Darstellung von Wikipedia-Seiten auch dulden. Sie haben dem durch Einstellung Ihrer Fotos schließlich urheberrechtlich zugestimmt.

Sie verhalten sich also widersprüchlich und treuwidrig, wenn Sie einerseits Fotos bei Wikipedia einstellen und einbinden, die unveränderte Darstellung dessen aber dann unterbinden wollen.

 

Die erste Antwort von Frau N. deutet darauf hin, dass sie die Wikipedia als Einnahmequelle für Lizenzgebühren missbrauchen will. Mehr dazu im passenden Artikel im ODEM-Blog: Abmahnfallen einer Wikipedia-Nutzerin.

 

Nachtrag: Die Briefe von Frau N. habe ich absichtlich nicht im Volltext veröffentlicht, ihr Urheberrecht daran soll ja schließlich nicht verletzt werden.

Nachtrag 2: Es geht die Behauptung herum, es hätte bereits im Februar per E-Mail eine Bitte zur Entfernung der Fotos von der Wikipedia gegeben. Eine solche Bitte gab es nicht. Von einem AOL-Account (!) bekamen wir im Februar eine Nachricht, die ich nun aus dem Spam herausgefischt habe. Darin schreibt Frau N., dass „wir“ sich für „die Verwendung“ der Wikipedia-Inhhalte unter http://de.web-blaster.org/ bedanken würden. Die Wikipedia sei „u.a. für solche Zwecke“ geschaffen worden. Und sie wies darauf hin, dass Name und Logo „der Wikimedia und ihrer Projekte“ geschützt seien, und eine Genehmigung zur Einbindung erforderlich sei. Beim Web-Blaster findet aber gar keine Einbindung statt, aber selbst wenn: natürlich wäre für die Einbindung der Wikipedia keine Genehmigung nötig.

 

Mehr: Abmahnfallen einer Wikipedia-Nutzerin.

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